Mehrwertsteuersenkung 2020: Was Freelancer beachten sollten

Die Bundesregierung hat im Juni 2020 ein Konjunkturpaket verabschiedet. Darin enthalten ist auch eine zeitlich begrenzte Mehrwertsteuersenkung. Sie soll die Preise für Verbraucher günstiger machen und den Absatz ankurbeln. Für Unternehmen und Freelancer ergeben sich durch die Senkung der Umsatzsteuer zahlreiche Änderungen, die bei der Rechnungsstellung berücksichtigt werden müssen.

Der Hintergrund zur temporären Mehrwertsteuersenkung

Anfang Juni 2020 wurde in Deutschland ein Maßnahmenpaket von der Regierung verabschiedet, das die finanziellen Folgen der Corona-Krise abmildern soll. Insgesamt knapp 130 Milliarden Euro umfasst das Paket, das auch „Marshallplan 2.0“ genannt wird, in Anspielung auf den nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA entworfenen Marshallplan, der die europäische Wirtschaft wieder in Gang bringen sollte.

Der neue „Marshallplan 2.0“ enthält im Kern eine zeitlich begrenzte Reduzierung der Mehrwertsteuersätze. Diese Maßnahme hat ein Volumen von hochgerechnet 20 Milliarden Euro, die Konsumenten zu Gute kommen und den Konsum fördern sollen. Die Idee dahinter: Verbraucher werden durch die gesenkte Umsatzsteuer dazu angeregt, größere Anschaffungen und mehr Käufe zu tätigen. Auf diese Weise soll die Nachfrage gesteigert werden und zu höheren Umsätzen bei Unternehmen führen.

Wer ist betroffen?

 Grundsätzlich sind alle Unternehmen sowie Selbständige und Freelancer betroffen, die Rechnungen ausstellen und umsatzsteuerpflichtig sind. Ausgenommen sind somit Kleinunternehmer bzw. Selbständige, deren Jahresumsatz 22.000 Euro nicht überschreitet.

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Alle umsatzsteuerpflichtigen Selbständigen müssen die Mehrwertsteuersenkung ab dem 1. Juli 2020 bei allen Rechnungen berücksichtigen, die sie für ihre Leistungen ausstellen.

Ab wann und für welche Leistungen müssen Selbständige die Umsatzsteuer anpassen?

 Die temporäre Senkung der Umsatzsteuer 2020 wird wie folgt geregelt:

  • Leistungen, die bis zum 30. Juni 2020 erbracht werden: In diesem Fall muss die Rechnung 19 Prozent Umsatzsteuer enthalten. Das gilt auch dann, wenn die Rechnung erst nach dem 1. Juli 2020 gestellt wird.
  • Leistungen, die ab dem 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 erbracht werden: In diesem Fall wird die ermäßigte Umsatzsteuer von 16 Prozent erhoben.

Für alle Leistungen, die ab dem 1. Januar 2021 erbracht werden, gilt wieder der ursprüngliche Umsatzsteuersatz von 19 Prozent.

Die temporäre Senkung der Umsatzsteuer ist für Selbständige also nicht ganz ohne Tücken. So reicht es nicht, einfach ab 1. Juli 2020 16 Prozent Umsatzsteuer auszuweisen.

Entscheidend ist bei der Rechnungsstellung lediglich der Zeitraum bzw. der Zeitpunkt der erbrachten Leistung. Weder das Zahlungsziel noch das Rechnungsdatum spielen eine Rolle, ob der ermäßigte Steuersatz oder der ursprüngliche Steuersatz gelten!

Die Herausforderung für Freelancer besteht also darin festzustellen, wann eine Leistung rechtlich als ausgeführt gilt und wann die Leistung erbracht wird bzw. wurde.

  • Wann ist eine Lieferung oder Leistung aus rechtlicher Sicht ausgeführt?

Rechtlich gesehen ist eine Lieferung dann ausgeführt, wenn der Kunde darüber verfügen kann. Wird ein Werk versendet, gilt die Lieferung mit dem Transportbeginn als ausgeführt. Ausgeführt ist eine Leistung auch dann, wenn sie durch den Freelancer fertiggestellt wurde. Bei einer zeitlich begrenzten Dauerleistung gilt diese zum Ende des Leistungsabschnitts als ausgeführt. Festgelegt sind diese Regelungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums (Quelle: https://www.steuerlinks.de/richtlinie/ustae/abs13.1..html).

  • Wann gilt die Leistung als erbracht? (Zeitpunkt)

Für die Umsatzsteuer spielt es eine wichtige Rolle, wann eine Leistung erbracht wurde. Deshalb muss auf einer korrekten Rechnung immer der Leistungszeitpunkt bzw. der Leistungsmonat aufgeführt werden. Das Leistungsdatum muss dabei nicht dem Rechnungsdatum entsprechen.

Diese Tatsache ist auch für die korrekte Ausstellung von Rechnungen mit der Mehrwertsteuersenkung 2020 wichtig.

Beispiele:

  1. Ein Freelancer entwickelt eine App und stellt sie im Juni 2020 fertig. Er schreibt seine Rechnung aber erst Ende Juli 2020. In diesem Fall wurde die Leistung vor dem 1. Juli 2020 erbracht. Also muss die Rechnung einen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent enthalten.
  2. Ein Freelancer erstellt eine neue Website im November 2020. Die Rechnung schreibt er jedoch im Januar 2021. In diesem Fall ist wieder nur der Zeitpunkt der Fertigstellung entscheidend. Deshalb muss der Freelancer auf seiner Rechnung 16 Prozent Umsatzsteuer veranschlagen.

Tipp: Wenn Sie als Freelancer selbst Rechnungen erhalten, sollten Sie ebenfalls genau prüfen, wann die Leistung geliefert bzw. die Leistung erbracht wurde. Weisen Sie Ihre Lieferanten oder Kunden auf mögliche Fehler bei der Rechnungsstellung hin. Sie können nämlich entsprechend auch nur die aktuell gültige Vorsteuer abziehen.

Auswirkungen der Umsatzsteuer-Senkung 2020 auf die Preise

Um zu veranschaulichen, wie sie die Umsatzsteuersenkung 2020 auf Ihre Preise auswirkt, haben wir hier ein anschauliches Rechenbeispiel vorbereitet:

Sie sind Freelancer und haben für Ihren Kunden ein Projekt fertiggestellt. Dafür verlangen Sie 2.000 Euro. Mit dem bisherigen Steuersatz von 19 Prozent würde den Kunden das Projekt brutto 2.380 Euro kosten. Mit der ermäßigten Umsatzsteuer von 16 Prozent wären es 2.320 Euro.

Durch die Umsatzsteuersenkung würde sich Ihr Umsatz in diesem Fall um 60 Euro verringern.

Reduzierte Mehrwertsteuer berechnen

Um die temporär gesenkte Umsatzsteuer zu berechnen, multiplizieren Sie Ihren Nettopreis einfach mit 0,16. Das Ergebnis addieren Sie einfach zum Nettopreis.

Ein Beispiel:

Sie bieten eine Leistung für 1.000 Euro an. Um die reduzierte Umsatzsteuer von 16 Prozent auszuweisen, multiplizieren Sie 1.000 Euro mit 0,16. Das Ergebnis von 160 Euro addieren Sie zu den 1.000 Euro. Der Bruttobetrag wäre dann 1.160 Euro.

Um zu ermitteln, um wie viele Euro Sie Ihren Bruttoverkaufspreis ohne Verlust reduzieren können, dividieren Sie Ihren Bruttoverkaufspreis durch 119 und multiplizieren das Ergebnis mit 3.

Ein Beispiel:

Ihr bisheriger Bruttopreis für ein Projekt lag bei 2.380 Euro. Diese Summe teilen Sie durch 119 (=20) und multiplizieren 20 mit 3. Sie können Ihren Bruttopreis also um 60 Euro senken, ohne durch die Umsatzsteuersenkung Gewinn einzubüßen.

Mehrwertsteuersenkung bei Anzahlungen und Teilzahlungen

Die befristete Senkung der Umsatzsteuer stellt Freelancer vor allem bei Vorauszahlungen oder Anzahlungen vor eine Herausforderung. Wichtig zu wissen: Die Umsatzsteuer entsteht erst mit der Ausführung einer Teilleistung oder der vollständigen Leistung. Eine Anzahlung hat keinen Einfluss auf den angewendeten Umsatzsteuersatz der Folgerechnungen. Maßgeblich ist auch bei der Besteuerung nach Anzahlungen der Zeitpunkt der Leistungserbringung bzw. Lieferung der Leistung.

Beispiele:

  • Ein Freelancer hat eine App vor dem 30.06.2020 entwickelt und dafür eine Anzahlung erhalten. Die Besteuerung bleibt bei 19 Prozent Umsatzsteuer.
  • Ein Freelancer hat ein Projekt nach dem 01.07.2020 fertiggestellt, aber die Kosten für das Projekt bereits vor dem 01.07.2020 in Vorkasse erhalten. In diesem Fall müsste der Freelancer bei der Rechnungsstellung dem Auftraggeber 3 Prozent der Brutto-Rechnungssumme zurückerstatten, weil für die Leistung der ermäßigte Steuersatz gilt.
  • Eine selbständige Programmiererin hat nach dem 31.12.2020 ein Projekt fertiggestellt, aber bereits zwischen dem 01.07. und dem 31.12.2020 eine Anzahlung erhalten. In diesem Fall müsste die Netto-Summe der Anzahlung mit 3 Prozent nachversteuert werden.

Keine Nachteile, wenn beide Parteien zum Abzug von Vorsteuer berechtigt sind

Wenn Freelancer Unternehmen eine Rechnung stellen, sind diese zum Abzug der Vorsteuer berechtigt. Somit spielt die temporäre Umsatzsteuer-Senkung 2020 im B2B-Bereich ohnehin keine entscheidende Rolle. Denn der Auftraggeber kann entweder 16 oder 19 Prozent sofort von der Rechnungssumme abziehen. Entscheidend ist dann der Bruttobetrag. Wichtig ist lediglich, dass die Umsatzsteuer korrekt ausgewiesen wurde.

Was passiert, wenn Selbständige die falsche Umsatzsteuer ausgewiesen haben?

Umsatzsteuerpflichtige Freelancer müssen diese Verkehrssteuer immer korrekt auf Rechnungen angeben und berechnen. Das wird im Umsatzsteuergesetz festgelegt. Berechnet ein Freelancer zwischen dem 01.07. und 31.12.2020 z.B. 19 statt 16 Prozent, schuldet er dem Rechnungsempfänger die drei Prozent zu viel gezahlte Umsatzsteuer. Der Rechnungsempfänger kann außerdem die Vorsteuer nicht geltend machen, wenn sie nicht korrekt angegeben wurde. Er hat deshalb außerdem ein Recht auf eine Rechnungskorrektur.

Keine relevanten Grundsatzfrage für Freelancer: Soll ich die Mehrwertsteuersenkung 2020 an Kunden weitergeben?

Viele Unternehmen überlegen, ob sie die reduzierte Umsatzsteuer an ihre Kunden weitergeben sollen. Im B2B-Bereich, in welchem sich Freelancer in der Regel befinden, sollte diese Frage eigentlich nicht relevant sein. Da der Vertragspartner üblicherweise umsatzsteuerpflichtig ist, kann er auch die Vorsteuer abziehen. Übrig bleibt der Nettopreis. Wer als Freelancer also dieselben Bruttopreise für Leistungen zwischen dem 01.07.2020 und dem 31.12.2020 aufruft wie zuvor, hat offensichtlich seine Preise erhöht. Geschieht dies nicht ohne vorherige Ankündigung, macht das bei einem Auftraggeber keinen guten Eindruck.

Fazit: Reduzierte Umsatzsteuer 2020: Immer Leistungs- und Lieferdatum im Blick behalten

Wenn Sie nach dem 01.07.2020 Rechnungen schreiben, sollten Sie immer genau prüfen, wann die Leistung bzw. Lieferung erfolgt ist. Sie sind entscheidend für die Umsatzsteuer. Sollten Sie sich jedoch unsicher sein und Fragen haben, lohnt sich ein Gespräch mit dem Steuerberater. Dadurch ersparen Sie sich im Streitfall komplizierte Rückbuchungen, Erstattungen oder Nachzahlungen.

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